Die Grenze am Mandlingpass

 

Durch Mandling verläuft eine alte Grenze, die heute – als geografisches Kuriosum – die Ortschaft zwischen den Gemeindegebieten von Radstadt und Schladming und damit auch zwischen den Bundesländern Salzburg und Steiermark aufteilt. Die Blüten, die der Föderalismus unserer Tage bisweilen treibt, sind harmlos im Vergleich zu den seinerzeitigen Konflikten zwischen den Salzburger Erzbischöfen und den Herrschern auf der steirischen Seite.

Bereits vor der ersten Jahrtausendwende trafen auf dem Mandlingpass die Einflusssphären des Erzbistums Salzburg und der Grafschaft Ennstal als Teil des Herzogtums Karantanien aufeinander. Das heutige Hotel Taferne stammt als ehemaliger Wirtschaftshof des Salzburger Stifts Sankt Peter noch aus der Anfangszeit der Besiedelung im 12. Jahrhundert. 

Gegen Ende des 13. Jahrhunderts entbrannte im Zuge der Machtfestigung der Habsburger 


ein heftiger Grenzkonflikt, bei dem es auch um die Vormachtstellung im Salzhandel ging. Herzog Abrecht I. von Habsburg war – eng beraten vom Admonter Abt Heinrich II. – der neue Landesfürst der Steiermark. Er ließ Mandling befestigen, was auf Salzburger Seite zu einer Stärkung Radstadts führte - die Verleihung des Stadtrechts im Jahr 1289 inklusive. Erzbischof Rudolf von Hoheneck gelang es, mit seinen Truppen Albrechts „Ennsburg“ zu zerstören. Sein Nachfolger ließ ein Schanz- und Befestigungssystem aufführen, welches das ganze Tal überspannte. Der Wiener Frieden, auf den man sich schließlich 1297 verständigte, brachte eine Bestätigung des bestehenden Grenzverlaufs. Für Albrecht fiel damit eine Front weg, er errang in der Folge auch die deutsche Königskrone und konnte den bislang widerständigen steirischen Adel zur Loyalität zwingen. Das habsburgische Pendant zu Radstadt wurde Schladming, sein Stadtrecht ist erstmals 1322 dokumentiert.  

Kein Hindernis stellte die Mandlinggrenze im Jahr 1525 dar, als die Bauernaufstände von Schwaben, Tirol und Salzburg auch ins steirische Ennstal übergriffen.

Während des Dreißigjährigen Krieges sollten neuerliche Schanzbauten das Eindringen der schwedischen Truppen in das Ennstal verhindern. Einige Jahre später verschob ein verheerendes Hochwasser die Grenze am Mandlingbach auf Salzburger Gebiet. Neuerlich flammten Grenzstreitigkeiten auf, für deren Beilegung hochrangige weltliche und kirchliche Delegationen 16 Jahre und die Expertise des bedeutenden Topografen Georg Matthäus Vischer benötigten.

Dem Schlichtungsereignis des Jahres 1677 wurde ein mit Wappenreliefs kunstvoll gestalteter Grenzstein gewidmet, der heute im verkehrsberuhigten Ortszentrum zu bewundern ist. Ab 1815, nach der Eingliederung Salzburgs in das Kaisertum Österreich, verlor die Grenze am Mandlingpass schließlich ihre Dramatik. Die Mautstelle war jedoch noch bis 1843 in Betrieb.

1888 wurde am linken Ufer des Mandlingbaches die Lodenwalke Steiner gegründet, sie ist nach wie vor ein wirtschaftliches Aushängeschild der Region.

Gegenüber auf der Salzburger Seite finden sich Relikte der mittelalterlichen Befestigung. Die Jahreszahl 1941 und ein Hakenkreuz über einem Mauerbogen sorgen auf den ersten Blick für Irritation – Aufklärung bietet eine Schautafel, die diesen Mauerdurchbruch und den anschließenden Felstunnel als erzwungenes Werk französischer Kriegsgefangener ausweist.

1959 wollte die Steiermark möglicherweise nochmals die Unverrückbarkeit der Grenze bekräftigen, indem sie „ihrem“ Erzherzog Johann direkt daneben ein Denkmal zu dessen 100. Todestag setzte.

Eine schöne Auflösung erfährt die von außen in die Ortsgeschichte hineingetragene Grenz- und Konfliktthematik mit der Johanneskapelle: Sie wurde unter tatkräftiger Mithilfe der Mandlinger Bevölkerung errichtet und 1986 als ökumenisches Haus eingeweiht. Seither finden dort regelmäßig – und ganz gleichberechtigt – evangelische und katholische Gottesdienste statt.

(Vorabdruck aus "Entlang der Enns",  Salzburg 2025)



(c) Manfred Pregartbauer, Stand Juni 2025