Im Land an der Saalach

(c) bergfex.at
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Der Pinzgau nördlich von Zell am See hat eine Bundeslandgrenze zu Tirol und eine Staatsgrenze  zu Deutschland, genauer zu Bayern. Ein Grenzübertritt ist in beiden Fällen und in der Regel kaum mit Hindernissen verbunden. Ausflüge und Wanderungen führen jedoch gut und gerne in historisch bemerkenswerte Grenzgegenden.

Da wäre einmal eine Bergtour über das 2044 Meter hohe Spielberghorn, die in Saalbach komfortabel mit der Kohlmaisbahn begonnen, über das Spielbergtörl fortgeführt und mit einem etwas mühevollen Abstieg nach Hochfilzen beendet werden kann. Ab dem Spielbergtörl [1] deckt sich ein großer Teil des Weges einschließlich des Gipfels [2] mit der Grenzlinie zwischen Tirol und Salzburg; bei der Waldmahd oberhalb von Hochfilzen [3] wird das durch eine Serie einfacher Grenzsteine, schwarz auf weiß mit S und T an den Seiten [4] unterstrichen. Nach Erreichen der Grießenstraße grüßt das Land Tirol in einem (hoffentlich) modernen Grenzverständnis als „Europaregion Tirol Südtirol Trentino“ [5]. Schwer vorstellbar, dass der nahegelegene Pass Grießen bis 1816 ein militärisch-politisch bedeutsamer Grenzpunkt zwischen dem Fürsterzbistum Salzburg und dem Habsburgerreich war!

Im Bergbau- und Gotikmuseum der Nachbargemeinde Leogang finden sich nicht nur hochrangige Zeugnisse sakraler Kunst, sondern auch einige historische Fakten zum Befestigungswerk samt einer detaillierten Lageskizze aus dem Jahr 1763 [6]. 


Erstmals im Jahr 1424 urkundlich erwähnt, war der Pass Grießen auch ein wichtiger Kontrollpunkt für den Saumhandel, transportiert wurde u.a. Leoganger Erz. Ab 1690 ersetzte eine Fahrstraße von Saalfelden bis Fieberbrunn den alten Weg, was zu einer Intensivierung des Fuhrwerksverkehrs führte. Später folgte auch die Eisenbahntrasse dieser Verbindungslinie; 1873 wurden hier für den Bau der „Salzburg-Tiroler“ oder „Gisela"-Bahn“ die letzten Reste der schon über fünfzig Jahre bedeutungslosen und verfallenen Passbefestigung verarbeitet.

Ein weiteres Schaustück des Museums in Leogang belegt, dass die Salzburger Fürsterzbischöfe seinerzeit auch im Gebiet unterhalb des Spielbergtörls auf rund 1300 Metern Seehöhe eine kleinere Passanlage unterhielten. Der Skizze [7] entsprechend befand sich nahe dem Spielberghaus - heute ein Almgasthaus mit 32 Betten und einer Panorama-Sauna - eine Schanze. Diese hatte nichts mit Wintersport zu tun, sondern mit der Überwachung des illegalen Viehhandels. Die erste Erwähnung einer „Alm am Spielberg“ datiert aus dem Jahr 1284. Während des Dreissigjährigen Krieges ließ Erzbischof Paris Lodron, der "Beschützer Salzburgs", auch diese Befestigung ausbauen. Im Franziszeischen Kataster von 1830 ist sie nach wie vor eingezeichnet.

Der kurz nach der Grenze entspringende Spielbergbach geht in der Fieberbrunner Ache auf und verbleibt somit gänzlich im Tirolerischen. „Spielbach“ wiederum ist eine alte Bezeichnung für die Saalach, die ihren Ursprung weiter südwestlich in der Tiroler Grenzgemeinde Jochberg hat, gleich danach die Salzburger Gemeinde Saalbach-Hinterglemm durchfließt und nach 105 Kilometern direkt an der Staatsgrenze bei Salzburg-Freilassing in die Salzach mündet. Die Saalach spielte bis 1911 über tausend Jahre lang eine wichtige Rolle für die Salzerzeugung im bayrischen Bad Reichenhall - das Holz zur Befeuerung kam zum großen Teil aus dem Pinzgau und wurde über den Fluß an sein Ziel befördert. So groß in dieser Sache Bayerns Abhängigkeit von Salzburg, später Österreich war, so sehr gab es auch das Pendant: die wichtigen Handelswege Salzach und Inn verliefen zum Teil in Bayern, und der Salzabbau im Halleiner Dürrnberg breitete sich immer mehr unter bayrischem Territorium aus. All diese Umstände verlangten nach einer Regelung, die schließlich 1829 als „Salinenkonvention“ zustande kam und gerne als ältester noch gültiger Staatsvertrag Europas bezeichnet wird. 

Am Triftweg durch die Seisenberger Klamm in Weissbach findet sich eine schöne und dauerhaft in den Felsen gehauene Reminiszenz daran: die beiden Wappen des österreichischen Kaisers Franz I. und des Bayernkönigs Ludwig, darunter die römische Jahreszahl 1831 und der Spruch „Vos saxa loquuntur“ („Euch preisen die Felsen“) [8]. Als Folge des Vertrages ist das umgebende Waldgebiet noch heute Bestandteil der „Saalforste“, wie die knapp 19.000 Hektar im Pinzgau verteilten, bayrischen Forstgebiete genannt werden. Als Eigentum des Freistaates Bayern sind sie folgerichtig durch zahlreiche Grenzsteine mit dem Kürzel "B.S." markiert. An der L110, die einen limitierten Fahrverkehr zum bayrischen Hintersee ermöglicht, steht nahe der Staatsgrenze beim Hirschbichl [9] ein markantes Exemplar. Es enthält auf einem Felsblock unter dem "B.S." die Nummer 1 und die Jahreszahl 1830 [10].

Mit allerlei "grenzfälligen" Besonderheiten in und um Salzburg beschäftigt sich der Autor Stefan Mayer. Seit 2002 sind davon fünf Bände  erschienen.  

(c) Manfred Pregartbauer, August 2023