Blick vom Hirschenkogel zum Sonnwendstein
Blick vom Hirschenkogel zum Sonnwendstein

Die Grenze durch das Wechselland

 

Nach dem Semmering ist die Grenze zwischen der Steiermark und Niederösterreich im wesentlichen nach Südosten ausgerichtet. Ihr alpiner Beginn lässt sich auf den großräumigen Grenzvertrag von 1254 zwischen König Ottokar II. Přemysl von Böhmen und König Béla IV. von Ungarn zurückführen.

Grenzverlauf (c) Bergfex
Grenzverlauf (c) Bergfex

Später setzt sie sich - nur locker oder gar nicht an die Natur angelehnt - aus vielen kleinen Besitz-, Rodungs- und Siedlungsgrenzabschnitten zusammen.  

Der erste nennenswerte Straßenübergang ist der Feistritzsattel, auf dem in rund 1290 Metern Seehöhe die niederösterreichische Landesstraße L175 zur steirischen L407 wird. Von dort führen Wanderwege oder - bei winterlicher Schneelage - die Spuren der Wechselloipe zu einem Kreuzungspunkt, der sich etwas hochtrabend „Dreiländereck“ nennt. Tatsächlich treffen hier die zwei Bundesländer aufeinander bzw. die drei Gemeinden Trattenbach und Aspangberg sowie Rettenegg aufeinander. Vor 200 Jahren, zur Zeit des Franziszäischen Katasters, waren es noch vier: neben dem damaligen Rettenegg noch Kaltenegg für die Steiermark und Kranichberg bzw. Neustift am Alpenwalde für Niederösterreich.

"Dreiländereck"
"Dreiländereck"

In der Folge erreicht die Grenzlinie leicht ansteigend über einen milden Grat ihren Höhepunkt, den 1.743 Meter hohen Gipfel des Hochwechsels. Hier wird die Grenzlage mehrfach sichtbar gemacht: ein Stein erinnert an die Grenzbegehung 1973/74, gleich daneben bekräftigt eine hölzerne Pyramide mit den Wappen der beiden Bundes-länder die Situation. Schließlich kommen der steirische Panther und die 5 goldenen niederösterreichischen Adler ein paar Meter weiter nochmals zu ihrem Recht: sie sind Elemente der farbgewaltigen Ausstattung einer hochragenden achteckigen Kapelle aus dem Jahr 1966 (renoviert 1989) durch Franz Weiss. Dieser akademische Maler aus der Weststeiermark war in seinem umfangreichen Werk stark im christlichen Glauben verankert und durchwegs der Gegenständlichkeit verpflichtet. Das bildnerische Programm wird durch emotionsgeladene Texte ergänzt, wie zum Beispiel „Grenzlandschicksal ist Kampf, ist Leid durch das Feuer, Elend, Hunger, Not und Tod. Aber auch unbändiger Willen zum Leben, denn Wertvolles gilt es in jeder Zeit zu retten“. Damit sind die bis hierher verzeichneten Osmanenstürme ebenso gemeint wie die Kuruzzen oder die napoleonischen Truppen, die die Gegend im Lauf der Jahrhunderte heimsuchten. 


Hauptthema des Mahnmals mit dem davor angelegten Soldatenfriedhof sind die 47 in der Endphase des Zweiten Weltkriegs gefallenen Soldaten. Entspricht die Gestaltung dieser Anlage - bei aller Eindringlichkeit - dem eher unkritischen Geschichtsbild ihrer Entstehungszeit, so erfährt man wenige Kilometer weiter auf dem Niederwechsel auch einige Hintergründe zu den zahlreichen Soldatenfriedhöfen der Gegend.

Die betreffende Informationstafel ist eine der mehr als 100 Stationen entlang eines Netzes von Wanderwegen, das der "Historische Verein Wechselland" 2016/17 als EU-LEADER Projekt, später (2020-2023) in Kooperation mit den Gemeinden entwickelt und umgesetzt hat.

Bei einem Schranken an der Hauptstraße in Mönichkirchen erinnert eine weitere Schautafel daran, dass sich hier in der Besatzungszeit von 1945 bis 1955 ein wichtiger Grenzposten zwischen der englischen und der russischen Besatzungszone befand.  Der seinerzeit beliebte Erholungsort versucht seit einigen Jahren in Kooperation mit der NÖ. Regional GmbH einen touristischen Neustart.

Am Ortsrand an der legendären B54, der Wechsel-Bundes-straße, findet sich ein elegantes Grenzsteinobjekt aus dem Jahr 1826, das auch heute noch die Bundeslandgrenze markiert. Weiter talwärts teilt der Tauchenbach den Ort Tauchen in eine niederösterreichische und eine steirische Hälfte. Letztere gehört zur Gemeinde Pinggau, dort liegt exakt 649,7 Meter über dem Meere die ÖBB-Bahnstation Tauchen-Schaueregg. Am Grenzbach findet sich eine Reminiszenz an die einstige Mühle.


Nach kurzer Strecke in Richtung Aspang trifft die Bahn direkt beim Südportal des Großen Hartbergtunnels auf die Grenze, die sich mit dem "Schäfferner Einsprung" nun scharf nach Norden gewendet hat. Das Bauwerk bildet mit 2.477 Metern Länge den Scheitelabschnitt der Wechselbahn. Im Deutschen Reich wurde der Tunnel allerdings auch zweckentfremdet genutzt: 1941, als er zusammen mit dem heute stillgelegten Bahnhof Mönichkirchen unter dem Decknamen „Frühlingssturm“ für einige Tage als Führerhauptquartier diente, und 1943 bis 1945, als dort in einem Zwangsarbeiterlager Flugzeugteile hergestellt wurden.

Die Grenzlinie verläuft weiter bergan und auf rund 900 Höhenmeter nahe am Gipfel des Hartbergs vorbei. Hier in der Nähe - und nicht auf dem eigentlichen Wechselpass - verband die Altstraße, vielleicht auch schon die Römerstraße, den Wiener Raum mit dem Steirischen. Gesichert ist, dass Kaiser Friedrich II. 1237 und König Rudolf von Habsburg 1279 diesen Pfad benützten; ein Indikator ist auch der Name des kleinen Ortes Spital am Südabhang.

Nach einigen Kilometern entlang der Gemeinden Zöbern auf niederösterreichischer und Schäffern auf steirischer Seite kreuzt die Landesgrenze die Hauptverkehrsachse unserer Zeit, die Südautobahn A2. Dem Bau des 47 Kilometer langen Teilstück über den Wechsel, das im November 1985 eröffnet wurde, musste hier seinerzeit die Ungerbach-Kapelle weichen. Sie wurde nach dem Rückkauf des Grundstücks von der ASFINAG durch freiwillige Helfern wiederaufgebaut und 2012 neuerlich geweiht - der Grenzlage entsprechend natürlich den beiden Landesheiligen Josef und Leopold. Die Wappen der beiden Bundesländer und Gemeinden an der Fassade ergänzen die Funktion als Grenzdenkmal und Begegnungsstätte.

Ab nun dreht die Grenze in südliche Richtung, mit einem Charakter ganz im Sinne der „Buckligen Welt“. Während Schäffern weiterhin die steirische Grenzgemeinde bleibt, wird auf der Gegenseite Zöbern von der Gemeinde Hochneukirchen-Gschaidt abgelöst. Schließlich kommt es an einem Fußweg in der Willersdorfer Schlucht zum „Showdown“ in Form eines - diesmal echten - Dreiländerecks: Vom Süden tritt das Burgenland mit der Gemeinde Oberschützen und dem Bezirk Oberwart hinzu, mit einer Grenzlinie, die ihren Ursprung in der alten Grenzvereinbarung von 1042/43 zwischen dem Königreich Ungarn und dem Heiligen Römischen Reich mit seiner Grenzmark Österreich hat. Der damals festgelegte Grenzbereich von der Leitha bis zur Lafnitz war jahrhundertelang Gegenstand von Konflikten zwischen Österreich und Ungarn. Auf einer Grenzkommissionskarte aus dem Jahr 1717 wird hier ein „Marchfelber (=Weidenbaum) am Haselbach" beschrieben, "welcher die drey Ländern Hungarn, Österreich und Steyern undisputirlich (!) von ein andern scheidet“. Bis 1848 grenzten hier in der Nähe vier Grundherrschaften aneinander. Der heutige Dreiländerstein stammt aus dem 19.Jahrhundert und wird auf einer Schautafel des Historischen Vereins Wechselland in gewohnter Qualität erläutert.

(c) Manfred Pregartbauer, Stand August 2025